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Über die Grenze nach Spandau

„Wenn alles so bleiben soll, wie es ist,
muss sich noch sehr viel ändern!“

Es ist eingetreten, womit niemand gerechnet hatte, erst recht nicht wir West-Berliner, die wie ich die Stadt nur als eingemauerte Insel im sozialistischen Umland kannten. Am 09. November 1989 ist die Berliner Mauer gefallen.

Es hatte sich in den letzten Jahren eine neue Sportart namens Triathlon entwickelt. Damals musste man oft erklären, dass es nichts mit Schießen wie beim Biathlon zu tun hat, sondern, dass man als Teilnehmer an einem Triathlonwettkampf die Disziplinen Schwimmen, Radfahren und Laufen ohne Pause direkt hintereinander absolviert. Wenn man dann noch erzählte, dass die Sportart ihren Ursprung in der Hitze von Hawaii hat, und die Distanzen 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und 42,2 Kilometer Laufen betragen, ist man im Normalfall für verrückt erklärt worden und sollte vielleicht lieber das Gesprächsthema in Richtung Haustiere, Wetter, Studium oder notfalls Politik wechseln.

Sonntag der 9. September 1990. Ein historisches Datum in meinem Sportlerleben. Ich stehe mit einigen hundert anderen Sportlern in Badehose am Nymphensee in Brieselang. Es waren ein paar Bojen im See ausgelegt, um die man irgendwie herum schwimmen musste, um in dem relativ kleinen See auf 1.000 Meter Schwimmstrecke zu kommen. Das rote 250 D-Mark-Supermarkt-Rennrad stand abfahrbereit am Ende der Schwimmstrecke am Strand. Die Laufschuhe hatten wir schon am Vorabend beim Veranstalter abgegeben, denn die brauchten wir ja dann nach dem Radfahren für die Laufstrecke, die im Westberliner Bezirk Spandau gestartet wurde. Alles in allem im Vergleich zu einem Laufwettbewerb ein ziemlich großer Aufwand, den man betreiben musste, um alles Nötige an der richtigen Stelle zu haben.

Unvermittelt ertönt der Startschuss und alle Badehosen- und BadeanzugträgerInnen stürzen sich augenblicklich in den See, als ob es kein Morgen gibt. Ich auch.  Erstaunlicherweise hatte ich mich trotz fehlender Erfahrung ganz clever auf der rechten Seite des Starterfeldes hingestellt, wo ich einigermaßen frei schwimmen konnte. Sie können sich sicherlich vorstellen, dass es bei einem sogenannten Massenstart beim Triathlon, wenn mehrere Hundert aufgeregte Athleten gleichzeitig ins Wasser stürmen um möglichst schnell das Schwimmziel zu erreichen, zu einigen Körperkontakten kommen kann. Ich hatte das aufgrund meiner Startposition einigermaßen vermieden und konnte von Anfang an mein Tempo schwimmen. Die 1.000 m gingen erstaunlich gut und ich freute mich, mein rotes Rad in der Wechselzone ohne Probleme zu finden. Damals trocknete man sich noch in Ruhe ab, zog gemütlich die Badehose aus und die Fahrradklamotten an, bevor es dann, ohne dass die Uhr gestoppt wurde, in die zweite Disziplin ging.

Mein Radtraining im Vorfeld beschränkte sich im Wesentlichen auf einige Fahrten zur Uni, was pro Strecke etwa 20 Kilometer durch die Westberliner Innenstadt mit gefühlten 100 Ampeln waren. Also, 40 Kilometer sollten im Wettkampf schon zu schaffen sein. Die Strecke zog sich durch einige kleine Orte in der ehemaligen DDR auf sehr holprigem Straßenbelag dahin. Mein Tacho, der damals noch mit einem Kabel mit dem Sensor am Vorderrad verbunden war und manuell geeicht werden musste, zeigte die Geschwindigkeit und die gefahrene Strecke an. An GPS-gesteuerte Fahrradcomputer, wie heutzutage, war noch lange nicht zu denken. Mit etwa 27 km/h war ich ganz zufrieden. Ich wunderte mich nur, dass ich nach 40 Kilometern nur abgemähte Felder und einige kleine Orte sah, aber weit und breit nichts von Berlin Spandau, wo ja die zweite Wechselzone zum Laufen sein sollte...

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